11.09.2011 – 7:30 Uhr – Frühstück • Cians und Daluis
Die Patronin ist heute Morgen richtig gut gelaunt, sie kann sogar lachen! Wir frühstücken im Hotelpark und fühlen uns gut erholt. Ich freue mich wie Bolle auf den heutigen Tag, werden wir doch die Gorges du Cians und die Gorges de Daluis befahren. Die Bilder und Berichte, die ich vor der Reise gesehen und gelesen hatte, lassen ähnlich wie bei den Schluchten des Vercors Großartiges erwarten. Zu Anfang der heutigen Etappe geht es ins Tal der Vésubie. Hier erwarten uns schon die Gorges de la Vésubie, eine eindrucksvolle und das richtige Feeling aufkommen lassende Schluchtstrecke. Der entgegenkommende Autofahrer, der unbedingt überholen muss, findet zum Glück gerade rechtzeitig eine Lücke zum Einscheren, sonst hätte der Platz für Manfred wahrscheinlich auf der engen Straße zwischen den zusammenstehenden Felsen nicht gereicht. Puh! Wir fahren nach rechts ins Vartal und benutzen wie vorgeplant die N202 auf der östlichen Talseite statt der westlichen N1202. Eine gute Wahl, folgen wir doch so jeder Flussbiegung im engen Tal, statt fast gerade durch mehrere hintereinander folgende Tunnel zu fahren. Hinter Touët-Sur-Var biegen wir rechts in die Gorges du Cians ab.
Wir verlassen die Klamm, wieder kommt ein Fotomotiv ins Blickfeld. Ich funke Manfred kurz an, dass ich noch schnell ein Foto mache. Das ist das letzte, dass wir vorläufig voneinander hören. PMR-Funk hat außer bei freien Geländeverhältnissen eine recht begrenzte Reichweite und mein Handy ist seit dem Morgen nicht mehr einsatzfähig. Wir warten gegenseitig aufeinander, allerdings die Verwicklungen im einzelnen zu beschreiben, würde eine eigene Seite in diesem Reisebereich erfordern. Letztlich fahren wir die Tagestour jeder für sich alleine. Über Péone, den Col de la Cayolle und durch die zwar sehr schönen, gegenüber den Ciansschluchten aber doch stark abfallenden Gorges du Bachelard geht es auf trotz des Sonntags kaum befahrenen Straßen bis kurz vor Barcelonnette. Zurück nach Süden gewendet, ebenso einsame Wege, Kurve an Kurve, Serpentinen, An- und Abstiege, Fernblicke, Tiefblicke, Col de Allos und Col de la Colle-Saint-Michel. Immer wieder beeindrucken kleine Ansiedlungen, hoch auf Felsen erbaut, stets überragt von der Kirche. Am frühen Nachmittag nähere ich mich den Daluisschluchten. Im Gegensatz zu den Gorges du Cians genießt man hier die Schlucht hoch über den fast senkrecht abfallenden Felswänden mit ihren schräg gelagerten Gesteinsschichten. Schon von weitem begrüßt mich die »Hüterin der Schlucht«, eine vom Volksmund so genannte von der Natur aus dem Schiefer geformte Felsgestalt, die man als Frau mit Kopfbedeckung interpretieren kann.
Das Ende der Schlucht kündigt sich mit der Brücke »Pont de la Mariée« über den Vars an. Auch hier hat sich eine Menge Sensationslüsterner versammelt, um sich mit einem Gummiseil um die Füße in die Tiefe zu stürzen. Hier in den Gorges de Daluis wird mir erstmalig – auch später bestätigt sich dieser Eindruck – bewusst, wie wenig anderen Motorradfahrern wir während dieser Reise begegnen. Nur hier treffe ich auf eine Handvoll Motorradfahrer, vielleicht auch, weil heute Sonntag ist. Ansonsten haben wir die Straßen fast immer für uns alleine. Möglicherweise ist dies auch der Tatsache geschuldet, dass wir zum großen Teil abseits der großen Verkehrsströme fahren. Weiter fahre ich über Valsberg und den Col de la Couillole nach Saint-Sauveur-Sur-Tinée, den Ort, der als potenzieller Endpunkt der heutigen Route gesetzt ist. Immer wieder habe ich unterwegs in jedem Ort am Lenker auf die Sendetaste des Funkgerätes gedrückt und ein professionelles, nichtsdestotrotz erfolgloses »Manfred, bitte melden! Manfred, bitte melden!« in den Äther geschickt. Jetzt suche ich mir im Ort ein Cafe, bestelle mir eine Cola und lege das Funkgerät empfangsbereit auf den Tisch. Kaum zehn Minuten später quäkt ein »Detlef?!« aus dem Lautsprecher. Bereits ganz oben am Hang versucht Manfred die Kontaktaufnahme. Ich gebe meine Position durch, einige Minuten später fährt Manfred vor dem mit einer österreichischen Gruppe Motorradfahrer besetzten Lokal vor. Die Burschis erzählen sich sicher noch heute breit grinsend
Im »Le Régalivou« esse ich eine der besten Pizzen meines Lebens, selbst Manfred erklärt den heutigen Tag zur Ausnahme und so können wir schon bald trotz des heutigen Missgeschicks wieder herzhaft lachen. Auch diesen Abend schleiche ich noch spät durch den Ort und lichte all die stimmungsvoll ausgeleuchteten Gebäude ab. Lass die Tag- und Nachtaufnahmen des schönen Örtchens einfach auf Dich wirken! |