Autor + Bilder: © Detlef Teichmann

Reisebericht »Cols et Gorges«

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03.09.2011 – 8:00 Uhr – Frühstück   •   In freudiger Erwartung des Pässekarussels

FotoSchon beim ersten Blick aus dem Fenster hatte mich der neue Tag mit strahlendem Sonnenschein begrüßt. In Erwartung hoher Temperaturen verstaue ich heute einen etwas größeren Wasservorrat im Tank­rucksack, jetzt aber brauche ich doch noch die Membran in der Jacke, da es draußen zwar nicht kalt, aber doch recht frisch ist. Runter ins Reusstal, die kurze Strecke bis Wassen hoch und wieder begrüßt mich das Kirchlein von 1711. Nach der Überwindung der wilden Mündungs­schlucht der Meienreuss fahre ich heute zuerst wieder den Susten, aber natürlich in Gegenrichtung. Leider erlaubt die Sonne heute morgen nur Schüsse gegen das Licht, aber auf solche Fotos mit ausgewaschenen Farben verzichte ich lieber. Dann wird in Innertkirchen aufgetankt und hoch geht es auf den Grimselpass.

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Durch das obere Haslital steigt die Straße hoch nach Guttannen, weiter geht die Fahrt durch das zunehmend unwirtlicher werdende, sich verengende Tal. Bald trifft man auf den Räterichsboden, einen von insgesamt fünf Stauseen der Kraftwerke Oberhasli. Auch bei meinem zweiten Besuch dieses wirklich einzigartigen Passes bin ich wieder fasziniert von dem nur hier anzutreffenden Gestein (jedenfalls habe ich ähnliches sonst noch nicht gesehen). In unwirklichen Grün- bis Grautönen schimmert der Fels aus Aaregranit, auch die Seen passen perfekt in die Gesamtfarbkomposition.

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Da ich heute ausreichend Zeit habe, um die Landschaftseindrücke nachhaltig auf mich wirken zu lassen, habe ich einen Abstecher von der Passhöhe zur Panoramastraße Oberaar eingeplant. Da die Panoramastraße fast durchgängig nur einspurig ausgelegt ist (eigentlich ist sie ja auch eine Werksstraße des Kraftwerkbetreibers), gedulde ich mich, bis die Ampel zur vollen Stunde die Fahrt freigibt. Natürlich habe ich mich ganz nach vorne gemogelt, aber eigentlich völlig überflüssig. Die Ausblicke von der an steiler Bergflanke verlaufenden Straße auf den Grimselsee, auf gewaltige Erhebungen wie den 4274m hohen Finsteraarhorn und das ewige Eis des Unteraargletschers lassen die Gashand kein einziges Mal zucken. Natürlich muss ich auch ab und an einen Blick auf den Straßenverlauf werfen und dazu den Blick von den Naturschönheiten losreißen.

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Nicht nur die FJR-Tourer planen Ausfahrten, sondern auch Automobilclubs. Schon auf dem Parkplatz am Grimsel waren mir die ordentlich aufgestellten Sportwagen aufgefallen und Wortfetzen einer Ansprache zugeweht, hatte ich die kurze Alphorn-Darbietung vernommen. Nun fahren alle Wagen hinter mir die Panoramastraße hoch, stellen sich am Oberaarsee zum Gruppenfoto auf, um dann mit mir zur halben Stunde zum Grimselpass zurückzukehren. Ich interessiere mich nicht für Autos, aber auf einigen Wagen kann ich den Schriftzug »Lotus« lesen. Viel mehr als die Autos beeindruckt mich der Oberaargletscher, der am Ende des Stausees hoch vom Berg herunterzieht, marmoriert und in verschiedenen Farben schillernd. Welch unvergesslicher Anblick!

FotoNun mache ich mich an die Abfahrt nach Gletsch, werde aber nach ein paar Metern schon wieder Zeuge eines herrlichen Panoramas. Während sich vor und unter mir die Serpentinen der südöstlichen Grimselrampe ins Tal winden, steigen auf der anderen Bergflanke Straße und Zahnradschienen zur Passhöhe des Furka in die Höhe. Gerade als ich kurz vor Gletsch bin, dampft auch die Furkabahn in den Bahnhof. Diese wurde vom Verein Furka-Bergstrecke restauriert und ist seit 2001 wieder in Betrieb. Natürlich lasse ich mir als alter Modellbahner die Gelegenheit nicht entgehen, weiter talwärts das frisch herausgeputzte Züglein zu foto­grafieren. Bevor der Zug heran­dampft, stapft noch ein Mitarbeiter über die Gleise, und setzt eine Beregnungsanlage in Gang. Welch ein Aufwand, um diese Dampffahrten realisieren zu können! Hätte man auch in früheren Zeiten daran gedacht, einen möglichen Funkenfunk und damit einen potenziellen Brandherd zu neutralisieren?

Die weitere Fahrt führt mich über den Nufenenpass nach Airolo, um dort die alte Gotthardstraße durch das Val Tremola, das »Tal des Zitterns« zu erkunden. Die fürchterliche Rüttelei trotz des schnell auf »soft« umgestellten Federbeins verstärkt meine schon den ganzen Tag latent vorhandenen Rückenschmerzen und vermiest mir das Erlebnis der Fahrt über die wirklich wunderbar in die Landschaft gebaute Strecke. Oberhalb des Lago della Piazza wende ich und fahre nun die breit ausgebaute und mit reichlich Lawinenschutzgalerien versehene 2 wieder runter nach Airolo, quäle mich durch das Valle Leventina bis Biasca, um dann dort durch das Val Blenio und das Val Santa Maria den Lukmanierpass zu erreichen. Entlang des Lai da Sontga Maria ist die Sicht von der Straße durch Lawinenschutzgalerien ziemlich eingeschränkt, erst die Strecke ab Disentis über den Oberalppass gefällt mir wieder besser. Letztlich dominieren aber meine Rückenschmerzen, so dass mich unterwegs immer öfter die Frage beschleicht, wie ich bloß die Gesamtreise durchstehen soll, wenn ich schon weit vor Erreichen Frankreichs stark schwächele.

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Gegen 17:30 Uhr erreiche ich das Gasthaus Bergheim. Da es sich draußen langsam zuzieht, befrage ich Frau Dittli nach den Wetterprognosen. Heute Abend wird es wohl regnen, verrät sie mir, allerdings könne man Glück haben, dass der Regen kanpp vorbeizieht. Für den Sonntag sei von Süden kommend Regen vorhergesagt. Den lauen Abend verbringe ich draußen sitzend unter dem Sonnenschirm, der auch hervorragend die 3 Regentropfen abhält, die sich nach Gurtnellen verirren.

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