Autor + Bilder: © Detlef Teichmann

Reisebericht »Cols et Gorges«

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09.09.2011 – 7:30 Uhr – Frühstück   •   Mont Ventoux und Gorges du Verdon

Wieder hatten wir am Vorabend kurz andiskutiert, ob wir den Ruhetag hier einlegen sollen. Gegen das Hotel du Comte lässt sich nichts sagen, aber die Umgebung und der Ort laden nicht zum Bleiben ein, dazu ist der Preis für Übernachtung und petit-déjeuner doch recht hoch. Also verschieben wir die Ruhephase, aber heute Abend am Gorges du Verdon, da wollen wir dann unbedingt für 2 Nächte buchen!

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Vorbei an Vaison-la-Romaine mit seiner sehenswerten Cathédrale Notre-Dame de Nazareth und Malaucène erreichen wir die Auffahrt zum Mont Ventoux, dessen Gipfelregion aus hellem Kalkstein kaum Vegetation aufweist, ist er doch auf Grund seiner exponierten Lage schutzlos dem heftigen Mistral ausgesetzt. Der Berg gehört zum Standardrepertoire der Tour de France, so verwundert es nicht, dass die Rampen vorzüglich ausgebaut sind; Scharen von Rennradfahrern aller Altersklassen und beiderleiFotoFotoGeschlechts quälen sich die teilweise sehr steilen Anstiege hoch – fast haben wir ein schlech­tes Gewissen, wie leicht uns der Aufstieg fällt. Kurz vor dem Gipfel irrt ein einsames Schaf umher, dass offenbar seine Herde ver­loren hat (wir sehen diese auf der anderen Seite des Berges die äußerst spärlichen Grashalme abweiden). Nach ausgiebigem Rundblick und den obligatori­schen Erinnerungsfotos wählen wir zur Abfahrt die Südwestrampe, uns immer wieder wundernd, mit welchem Wagemut sich die Rad­fahrer hier hinabstürzen, haben sie doch keine Motorbremse und nur vier kleine Klötzchen, um Bremswirkung zu entfalten. Schon wartet das nächste Highlight auf uns, die bis zu 400m tiefen Gorges de la Nesque. Tief unten schlängelt sich die Namensgeberin durch das unbewohnte Tal, in dem man auf ein Alter von 60.000 Jahren geschätzte Überreste menschlicher Besiedlung gefunden hat.

Die weitere Fahrt verläuft über den Col de Macuegne, dann durch die Gorges de la Méouge; diese treten zumindest von der Straße aus nicht Erscheinung, so dass hier ein wenig Enttäuschung bleibt. Vorbei an Sisteron fahren wir auf Nebenstraßen nach Digne-Les-Bains, auch dort wählen wir die Nebenstrecke über Col de Pierre Basse und Col de Corobin. Dort werden wir mit den bizarren Strukturen der aufragenden Felsen belohnt.

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Nun nehmen wir auch mal eine Nationalstraße, um unserem nächsten Ziel, den Gorges du Verdon schnell näher zu kommen. Über den Col des Leques erreichen wir gegen 14:30 Uhr Castellane und bemühen das Office du Tourisme, um uns wenn möglich bereits jetzt und hier eine Übernachtungsmöglichkeit im angepeilten Zielort Moustiers-Sainte-Marie zu sichern, um so in Ruhe den Cañon genießen zu können. Die nette junge Dame führt einige Telefonate und vermittelt uns endlich eine Unterkunft – auch in Frankreich beginnt freitags das Wochenende und der Tourismus floriert.

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Nun beginnt ein weiterer Höhepunkt unserer Reise. Obwohl Manfred bereits in früheren Jahren einmal hier war, ist auch er völlig fasziniert von den Wundern, die die Natur vollbringen kann, entdeckt auch er im Dutzend Details, Ein- und Ausblicke, die ihm bei seinem ersten Besuch entgangen oder im Gedächtnis so nicht haften geblieben sind.

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Von Aussichtspunkt zu Aussichtspunkt fahren wir. Ich habe die Handschuhe ausgezogen, die Kamera ruht um den Hals gehängt auf dem Tankrucksack, so kann ich schnell anhalten, das Visier hochklappen und Foto auf Foto schießen. Natürlich lassen wir auch die 23 km lange Ringstraße »Routes des Crêtes« nicht aus, vermittelt sie doch besonders eindrucksvolle Tiefblicke in die Schlucht.

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Jetzt wird es Zeit, uns im Clerissy vorzustellen – nicht, dass unsere Zimmer doch noch anderweitig vergeben werden.

FotoFotoDieses erweist sich als gar nicht leicht, ist Moustiers-Sainte-Marie doch ein vielbesuchtes kleines liebenswertes Städtchen, auf Fels errichtet, mit vielen Besuchern, sehr engen Gassen und einer strikten Einbahnstraßenregelung. Obwohl uns genau erklärt wurde, wie wir zu fahren haben, benötigen wir doch zwei Anläufe, um uns im Gewirr der Gassen zurechtzufinden, um den Mut aufzubringen, in diese engen und teilweise steilen Lücken zwischen den Häusern auch wirklich mit unseren Dickschiffen hineinzufahren. Schließlich stoßen wir in einer Gasse auf ein Hindernis – mitten auf der Straße, hier vielleicht gerade zwei Meter breit, stehen Tische und Stühle, besetzt mit parlierenden Anwohnern, die uns erstaunt anschauen. Aber wie es der Zufall will, genau hierhin müssen wir, die Motorräder werden nach Anweisung der Hotelbesitzerin nahe an den Häuserwänden abgestellt und schon sind wir auf unseren Zimmern.

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FotoDas Restaurant öffnet erst um 19:30 Uhr, so bleibt für Manfred Zeit, sich Sekundenkleber für seine sich gelöst habenden Heizgriffe zu besorgen (ständig verdrehen sie sich während der Fahrt) und sofort in Anwendung zu bringen, ich hingegen nutze die Gelegenheit, mir die Beine zu vertreten und auf Fotopirsch zu gehen. Immer wieder entdecke ich Motive, ärgere mich hier über die für eine korrekte Belichtung ungünstig stehende Sonne, freue mich da über die unzähligen kleinen Details der Stadtverschönerung. Aber eines ist klar: ein wärmeres und schmeichelnderes Licht als an diesem Spät­sommerabend kann sich kein Fotograf wünschen!

Kurz nach der Restaurantöffnung treffe ich dort ein und habe Glück, dass Manfred einen der Tische für uns okkupiert hat, müssten wir doch sonst entweder warten oder drinnen Platz nehmen – und das an einem solch herrlichen Abend!

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Später am Abend fallen wir müde in unsere Betten, trotzdem kreisen meine Gedanken noch länger um all die Eindrücke, die heute auf mich eingestürmt sind. Und auch die Geier hoch über dem Verdon ziehen noch immer ihre Kreise, bis ich sanft entschlummere.

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