Autor + Bilder: © Detlef Teichmann

Reisebericht »Cols et Gorges«

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10.09.2011 – 8:15 Uhr – Frühstück   •   Auf zum südlichsten Punkt der Reise: Cagnes-Sur-Mer am Mittelmeer

Ich habe es am Vortag ja schon angedeutet, es ist Wochenende – und das Clerissy für die Nacht von Samstag auf Sonntag schon ausgebucht. Umziehen im Ort wollen wir auch nicht, also heißt es Abschied nehmen von Moustiers-Sainte-Marie und der Vorstellung von einem Tag ohne Motorradfahren.

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Wir ziehen unsere Bahn vorbei am Lac de Sainte-Croix, um dann die Serpentinen zum Col d’Illoire anzusteigen. Später passieren wir die Cirque de Vaumale, lassen die Corniche Sublime hinter uns und kommen zu den Tunnels von Fayet. An der Artubybrücke, die hier den 180m unter ihr liegenden Fluss mit einem 119m weiten Betonbogen überspannt, können wir Nervenkitzel der anderen Art betrachten: Bungee-Jumping. Da fahren wir lieber schnell zu den Balcons de la Mescla weiter. An einigen Stellen können wir nicht in den Canyon hinabsehen – ist es nur Nebel oder sind wir über den Wolken? Schließlich verlassen wir den Verdon.

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Wenn man so wie wir knapp 5.000 km in den herrlichsten Motorradrevieren unterwegs ist, fallen einem hinterher nur die absoluten Highlights ein, die anderen Strecken stehen diesen Höhepunkten aber nicht unbedingt nach. Neben geschätzt höchstens 3 % eher uninteressanter und 7 % Traumstrecke waren die restlichen Kilometer der gefahrenen Tour wunderschöne Motorradstrecken, die zu fahren man sich jeden Feierabend oder freien Tag alle Finger nach lecken würde. Aber eine Strecke nach einem Hingucker wie den Gorges du Verdon bleibt unausweichlich nicht so im Gedächtnis. So erinnere ich mich an die Fahrt zum Mittelmeer kaum noch, einzig die Gorges du Loup sind mir als schöne Schluchtstrecke in Erinnerung geblieben, allerdings ist es wieder sehr warm, der Verkehr nimmt kurz vor der Küste doch enorm zu und so haben wir erst hinter Nizza wieder Fotos geschossen.

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Als wir in Cagnes-Sur-Mer auf die Küstenstraße einbiegen, haben wir damit den südlichsten Punkt unserer Fahrt erreicht, wenn man so will, geht es jetzt zurück nach Hause – wenn auch nicht gerade auf direktem Weg. Nizza, nun gut, jetzt habe ich es gesehen, Monaco, gut, jetzt habe ich es gesehen. Mondäne, teilweise prachtvolle Städte der Reichen und Schönen. Da ich nur in einer der beiden Kategorien punkten kann, gehöre ich dort nicht wirklich hin und ich fühle mich auch nicht wirklich wohl. Wäre Manfred nicht, ich führe wahrscheinlich ohne Halt durch, von den vielen roten Ampeln einmal abgesehen. So stellen wir unsere Maschinen für eine kurze Rast ab, erst als Manfred mich darauf aufmerksam macht, stapfe auch ich die paar Meter über den Strand und tauche wenigstens meine Hände in das Mittelmeer. Gehöre ich jetzt zu den Auserwählten?

Von den Roller- und den Autofahrern könnten wir allerdings eine Menge lernen. Die Roller schwirren uns und den Autos um die Ohren, kein Polizist stört sich an der permanenten Verkehrsübertretung. Die Autofahrer geben wie selbstverständlich die Straße frei; als Manfred sich einmal anstecken läßt und an einer stehenden Kolonne auf der Gegenfahrbahn vorbeifährt und bei Gegenverkehr keine Lücke zum Einscheren (obwohl diese so gut wie immer bereitwillig angeboten wird) findet, hält der Gegenverkehr einfach an und überläßt Manfred die Spur. Kein böses Wort, kein Hupen, keine unflätigen Handzeichen. Laissez-faire. Ein Denkanstoss für uns, ebenfalls lockerer zu bleiben und sich auf die wichtigen Dinge im Leben zu konzentrieren?!

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Am Ortsausgang von Nizza fahren wir bis zum Observatoire de Nice auf der Grande Corniche, wechseln aber kurz darauf auf die Moyenne Corniche. Inzwischen sind dunkle Wolken aufgezogen, die an den Bergen der steilen Küste hängen bleiben, sich aber nicht entladen. So entsteht ein bizarres Licht. Das Meer und Teile des Ufers liegen in gleißendem Sonnenlicht, wir auf der Hälfte des Hanges bewegen uns knapp unter den Wolken, die Grande Corniche ist zum Teil aus unserer Sicht verschwunden. So liegt die sehenswerte Altstadt von Eze in einem unwirklichen Dunst, wäre der Effekt ein wenig stärker, taugte die Szenerie für einen Horrorfilm.

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Natürlich bieten sich auch an der gesamten Küste viele sehens- und fotografierenswerte Motive, aber ich halte selten und irgendwie widerwillig. In Menton füttern wir noch unseren FJRs, dann verlassen wir die Küste und die Berge empfangen uns wieder. Zumindest ich fühle mich sofort wohler, obwohl wir beide uns bei unserem nächsten Halt in Moulinet eingestehen, dass wir beide müde sind. Der Beweis hierfür ist leicht gefunden. So haben wir eine kurze Besichtigung des sehenswerten Castillons völlig verschlafen, den kurz darauf folgenden Col de Castillon nicht bewusst wahrgenommen und ich weiß nur noch, dass die Gorges du Piaon zwar irgendwie ganz schön waren, aber egal, weiterfahren.

FotoDer befragte Cafehausinhaber in Moulinet gibt bereitwillig zu allen Fragen Auskunft (er meint lachend, er wäre das Office du Tourisme, eine entsprechende offizielle Einrichtung existiere hier nicht), sagt, auf dem Turini gäbe es ein gutes und preiswertes Hotel, da sei immer etwas frei und die Schleife zum Pointe des Trois Communes würde man besser morgens fahren, da sei es weniger diesig.

Wir brechen zum Col de Turini auf. Das Hotel macht wirklich einen guten Eindruck und die Preise sind durchaus günstig, dummerweise ist das Hotel aber mit einer Motorradgruppe komplett belegt – ist halt Samstag – und die Schleife ist am späten Nachmittag wirklich eher diesig, die Straße zwar asphaltiert, aber dennoch in miserablem Zustand – wir sind uns einig, dies hätten wir uns schenken können. In Camp d'Argent macht Manfred seine Runde durch die beiden Herbergen, wir sind über das Gebotene unzufrieden und hoffen auf bessere Unterkunft im Basisort der Westrampe des Turini, in La Bollène-Vésubie.

Dort hat man uns das Grand Hôtel du Parc empfohlen. Nachdem wir dieses endlich gefunden haben, checken wir ein. Es liegt sehr schön in einem parkähnlichen Grüngebiet, hat aber zweifellos wesentlich bessere Zeiten gesehen. Die Zimmer sind Standard der 60'er Jahre, der Preis ist allerdings erträglich. Das Hotelierspaar ist eher unfreundlich, der Patron lässt selbigen ziemlich raushängen. Nach einem relativ guten Abendessen sind wir uns einig, dass wir auch hier, obwohl inzwischen für dringend nötig erachtet, unseren Ruhetag nicht verbringen werden.

Während Manfred wohl schon friedlich schlummert und von einem Ruhetag im L'Escapade träumt (hätten wir doch nur …), schleiche ich noch durch den vom Vollmond hell erleuchtetn Park, erschrecke einige grasende Pferde und betrachte in mir ruhend den Sternenhimmel, der mir hier viel dichter besiedelt und leuchtender vorkommt als bei mir zu Hause im Rheinland …

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