»Viaggio al Lago di Bènaco«

Autor: © Detlef Teichmann
Banner: © Tina Behring
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Italien! Friaul! Slowenien!

Monte Zoncolan, Forcella di Monte Rest, Sella di Razzo, der Vršič, die Soča – die Mangartstraße fehlt noch in meiner Sammlung, stets verhinderte bisher etwas die Bezwingung.

Die Gegenden kennen viele auch nicht so richtig, oft bleiben sie in den Dolomiten hängen … Ich habe lange keine FJR-Tourer-Tour mehr angeboten (**Ironie**!) Man könnte doch mal … hmmh?! Ein langes Wochenende. Ne, das grenzt an Schwachsinn, das habe ich doch schon mal gemacht: am Donnerstag mit dem Hänger auf die Bahn ins Defereggental, freitags und samstags dort schöne Touren gefahren und am Sonntag die ganzen endlosen Kilometer auf der Bahn wieder zurück (hat auch nix mit dem Hänger zu tun, auf dem Bock ist das genauso langweilig!). Ne, aus dem Alter bin ich raus, der Kosten-/Nutzeneffekt geht gegen Null und wenn die Männer mit den weißen Kitteln mit den langen Ärmeln davon erfahren (oh oh!) Also, eine Woche muss es schon sein. Das ist ja praktisch schon ein Urlaub! Und dann mit 'ner Gruppe, deren Zusammensetzung man sich nicht aussuchen kann – soll ja schließlich eine »offizielle« FJR-Tourer-Tour und keine Einladungstour werden: da gibt es nun mal keine Absagen, weil einem die Nase nicht gefällt!


Blick von der Sella di Razzo auf den Lago Sauris
© Foto: Detlef Teichmann

Als ich mir einigermaßen sicher bin, dass meine Überlegungen umsetzbar sind, dass unsere Mitglieder alle solch angenehme Menschen sind, dass wir gemeinsam eine Woche verbringen können, ohne uns an den Kragen zu gehen, weihe ich Manfred, meinen bewährten Mit-Organisator vieler anderer FJR-Touren, in meine Gedankengänge ein. Klar macht er mit! Also ein Hotel in zentraler Lage suchen, mhm, STOP! hier breche ich jetzt ab. Was die Ösis mir auf meine Anfragen anbieten, lässt nur einen Schluss zu: wegen Reichtum geschlossen! Da willst Du denen die Bude auf einen Schlag mit 20 bis 25 Personen belegen, Halbpension, dazu sicher ein nicht zu geringer Getränkeverzehr am Abend – und dann bleibt Dir ob der Antworten der Mund offenstehen: »wir nehmen Deine Gruppe gern, wir haben auch genügend Zimmer, aber die kriegst Du nicht (diesterwegen und desterwegen). Wir begrüßen Dich jederzeit gerne in unserem Haus blablabla.» Habe ich schon erwähnt, dass wir hier von anderthalb Jahren Vorlauf reden? »Tut uns leid, wir können zur Zeit noch keine Angaben zu den Preisen von 2012 machen blablabla«. Oh Mann!

Als sich herausstellt, dass wir in der angepeilten Gegend keine Unterkunft kriegen werden, canceln wir die Sache kurzerhand. Tja. Grrrr. Hmh. Mönsch, prinzipiell ist die Idee doch immer noch gut. Woanders probieren?

OK, diesen Absatz bitte streichen! Fangen wir also noch mal ganz von vorne an … Smilie

Italien! Gardasee!

Monte Baldo, Monte Bondone, Passo del Vivione, Tremalzo und ist da nicht noch eine Rechnung offen: die abgerutsche Straße am Passo del Dosso Alto hat mir vor einigen Jahren meine sorgfältige Planung vermasselt!


Gardasee
© Foto: Ralf Schreiber

Manfred stimmt direkt zu. Er ist zwar schon am Gardasee gewesen, aber ohne Motorrad. Also same procedure as last week: Hotels raussuchen und anschreiben und auf Antworten warten. Auch hier wieder unverständliche Reaktionen und Nicht-Reaktionen. Die haben es nicht nötig. Aber hier sind auch einige Häuser, die sich um uns bemühen. Nach einigem schriftlichen Hin- und Hermailen und zwei Anrufen haben wir das Tourhotel für unsere Reise gefunden – und das zu fairen Konditionen: »Hotel Elisa« in Tignale. Bingo! Gut, nun muss man ja auch erst mal zum Gardasee kommen, das sind von der deutschen Südgrenze so bei Füssen immerhin noch runde 350 km. Also beschließen wir, die Fahrt von unserem angepeilten Treffpunkt zum Gardasee und zurück auch noch als geführtes Angebot zu gestalten – irgendwo müssen ja auch wir unterwegs übernachten, kommen wir doch aus dem Westen Deutschlands. Also same procedure as last week und ein Hotel für die Gruppe für 1 Nacht vor und eine Nacht nach der Tour gesucht, wobei wir direkt davon ausgehen, dass nicht alle Mitfahrer das Angebot annehmen werden. Habe ich schon erwähnt, dass die meisten Häuser wegen Reichtum lieber keine Gäste haben? Egal, wir finden schließlich den »Landgasthof Lilie« in Höfen bei Reutte; die bemühen sich sehr freundlich um uns. Puh, das härteste Stück Arbeit ist geschafft!

Planung und Ausgestaltung

Der Rest ist letztlich Routine eines eingespielten Teames. Die Touren wollen geplant werden – das macht unendlich Spaß, steigert ganz erheblich die Vorfreude auf die Tour. Wie immer wird der Denzel zu Rate gezogen, auf allen möglichen Websites recherchiert, auf Google kann ich inzwischen zu Hause mit einer vernünftigen Geschwindigkeit (ja, wir haben wirklich DSL gekriegt!) mit Streetview Tourteile checken, Restaurants am Straßenrand suchen und das Kartenmaterial mit MapSource und den inzwischen leicht angestaubten MTP-Karten vergleichen. Wie immer die Zweifel, ob die ein oder andere kleine Straße nun wirklich das richtige Geläuf für eine FJR ist; wie immer bisher siegt letztlich der Gedanke des Motorradwanderns, obwohl – wie sich zeigen wird – es beide Gruppen wie fast immer fliegen lassen. Wie immer muss ich die Tagestouren abspecken, da der erste Entwurf so um die 400 km zu liegen pflegt. Wie immer ist jede Kurve, die ich aus Vernunftgründen streichen muss, wie eines meiner Kinder, das ich nicht hergeben möchte (dabei bin ich doch kinderlos!).

Wir kündigen unsere Tour an und ernten eine große und positive Resonanz. Trotzdem werden letztlich »nur« 12 Maschinen mitfahren, die Personenzahl pendelt sich auf 19 ein. Also auch wie immer: erst großes »Hier«-Geschreie und wenn es dann ernst wird, wird die Omma krank, ist das Hausdach undicht und die Frau laufengegangen. Aber auch das kennen wir inzwischen und stellen uns immer besser darauf ein.

Die Woche vor der Tour bricht an und die anfänglich gute Prognose für das Wetter verschlechtert sich von Tag zu Tag; die Krönung ist ein komplett eingeschneites Stilfser Joch zwei Tage vor unserer Fahrt, am Timmelsjoch sind den ganzen Tag Schneefälle und Temperaturen um den Gefrierpunkt vorhergesagt, für den Tourtag immerhin 4°C: WOW!. Auf den letzten Drücker planen wir vorsichtshalber eine Alternativroute – mit Schneeketten mit Sozia und vollem Gerödel über hohe Pässe, das braucht eigentlich kaum einer. Meine Laune sinkt ziemlich und ich zweifele an meiner Serie: bisher habe ich noch nie einen Motorradurlaub mit wirklich schlechtem Wetter verbracht. Gut, mal eine Schauer oder schlimmstenfalls ein halber Tag etwas Regen, aber das war es dann auch schon. Die Serie wird doch nicht ausgerechnet jetzt reißen! Hmpf.

Samstag, 1. September 2012

Gestern am späten Nachmittag ist Jürgen aus dem Nachbarvorort mit seiner FJR zu mir gekommen und wir haben beide Motorräder auf dem Anhänger verladen. Anfangs hatte es noch leicht geregnet, später wurde es mehr und mehr und zum guten Schluss waren zwar die Moppeds fest verzurrt, aber wir dafür plitscheplatschenass. Zum Glück hatte ich diesesmal dem Wetterbericht geglaubt und meine FJR nur einer ganz groben Wäsche unterzogen. Eine kluge Entscheidung!

Jetzt, heute am Samstagmorgen, klingelt der Wecker zu unchristlicher Zeit um 5:30 Uhr. Aufstehen, beide haben wir schlecht geschlafen, ich glaube noch nicht mal, dass es das Reisefieber war. Egal, Beine auf den Boden geschwungen, ab ins Bad und duschen, dann ein kleines Frühstück. Unsere Katzen riechen wie immer den Braten, wissen genau, dass irgendwas faul ist an diesem Morgen. Da wir unsere Jungs aber seit vielen Jahren kennen, haben wir sie im Nu eingefangen und in ihren Transportboxen verstaut. Jetzt ab ins Auto mit ihnen, Navi angeschaltet, der Rest Gepäck und die Wegzehrung verstaut und schon rollen wir »On the road again« (Canned Heat). Endlich erleben wir mal, was die Liedzeile bedeutet: »zwischen Nacht und Tag schiebt sich die Dämmerung«. Wir holen Jürgen zu Hause ab und dann geht es ab auf die A61 genItalien.


Abfahrt zur blauen Stunde
© Foto: Detlef Teichmann

Anderthalb Stunden später fahren wir bei unseren Bekannten vor, die ihren Urlaub im neugekauften Wochenendhaus/Alterssitz verbringen und seit Jahren im Urlaub unsere Kater catsitten. Die Jungs waren die ganze Fahrt lieb und haben uns mit Gemecker und Geschrei und Gemaunze verschont. Bei unseren Freunden nehmen wir noch ein zweites Frühstück ein, dann um 10:10 Uhr schwenken wir bei Pfalzfeld wieder auf die A61. Jetzt hält uns nichts mehr auf, nichts steht unserem Abenteuer »Viaggio al Lago di Bènaco« mehr im Wege – naja, bis auf die restlichen öden 500 km BAB, zuerst völlig problemlos, dann ab Ulm aber mit Regenschauern (die uns nicht stören) und zähfließendem Verkehr (einfach nicht zu begreifen: plötzlich stehender Verkehr, dann 500 m weiter auf einmal wieder flüssiger Verkehr, kein Unfall, keine Baustelle, kein nichts? **kopfkratz**)

Gegen 17:30 Uhr fahren wir vorm Gasthof Lilie vor, werden dort schon von den Frühankommern fröhlich begrüßt, alle wollen helfen, den Hänger zu entladen, dann einchecken, Abendessen und ja, jetzt hat der Urlaub begonnen!


Gespräch in Höfen
© Foto: Peter Papenfuss

Plötzlich steht Toddy auf der Matte, ich frage erstaunt: »was willst Du denn hier?«, weiß ich doch sicher, dass er sich erst für Tignale zur Übernachtung angemeldet hat. Da das Hotel ausgebucht ist und wir in näherer Umgebung keine Brücke finden, unter der er die Nacht verbringen könnte, erbarmt sich Frank und überlässt Toddy die andere Hälfte seines Doppelzimmers. Irgendwie müssen wir wohl alle vergessen haben, zu erwähnen, dass Toddy Ehrenmitglied bei den Sägewerkbesitzern ist, denn Frank sieht am nächsten Morgen etwas übermüdet aus, hat sich allerdings mindestens 10 Ablasskärtchen verdient, von denen es heißt, dass sie den Aufenthalt im Fegefeuer verkürzen. Der Abend verfliegt mit Benzingesprächen, den üblichen Scherzen, ja, auch einem Kennenlernen, den Frank und Peter haben sich zum Einstieg bei den FJR-Tourern nicht etwa eine Tagestour, sondern direkt die volle Dröhnung – eine ganze Woche! – ausgesucht.


Lustige Runde in der Lilie
© Foto: Ralf Schreiber
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