»Viaggio al Lago di Bènaco«

Autor: © Detlef Teichmann
Banner: © Tina Behring
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Samstag, 08. September 2012

Rückfahrt nach Höfen über Passo Campo Carlo Magno, Passo del Tonale, Passo di Gàvia, Umbrailpass

Es lässt sich nicht beschönigen, nicht herauszögern, die Zeit nicht zurückdrehen: heute werden wir dem Lago di Bènaco den Rücken kehren. Alles ist einmal zu Ende und so neigt sich auch unsere Tour dem Ende zu. Aber wir wären nicht wir, wenn wir dem Ende mit einer ansprechenden Tour nicht wenigstens die bestmöglichen Seiten abgewinnen würden.


Ein letzter Blick von Tignale über den Lago di Bènaco
© Foto: Ralf Schreiber

Das letzte Frühstück ist bald eingenommen, die Zimmer- und Verzehrrechnungen haben die meisten schon gestern Abend bei Elisa beglichen. Jola wird mit Veronika mit dem Auto zurück nach Höfen fahren, beide brechen gegen 8:30 Uhr auf (natürlich hat Veronika auch wieder unser Gepäch dabei: Luja, sog' I!) Wir verabschieden uns herzlich von Tina, die mit dem Flieger in heimatliche Gefilde gelangen wird und von Manfred sowie Jockel und Teddy; die drei haben den Gardasee als Apéritif für ihre jetzt folgende Fahrt nach Sardinien genossen.


Tignale
© Foto: Jürgen Göbbels

Tignale
© Foto: Jürgen Göbbels

Die jetzt noch 10 Motorräder samt Besatzungen treffen sich auf dem Marktplatz in Tignale, um dort ein letztesmal das flüssige Gold in die Motorräder zu füllen. Jetzt wollen wir schnell nördlich von Riva del Garda gelangen und nehmen deshalb ein letztesmal die Gardesana. Eine schlechte Idee! Die auf dem Gardasee heute ausgetragene Regatta hat bereits um diese frühe Uhrzeit Heerscharen von Ausflüglern mobilisiert. Ein wahrhaft schönes Bild, diese vielen Segel in der Morgensonne auf dem glitzernden Wasser, aber etwas weniger Verkehr würden wir jetzt vorziehen. Ich erahne das von allen Fahrern hervorgestoßene »Tschakka!«, als wir Riva hinter uns lassen. Ab hier kommen wir ohne nennenswerte Behinderungen an unser Ziel, das zu diesem Zeitpunkt aber noch gut 330 kurvenreiche Kilometer von uns entfernt liegt.


Treffpunkt Tankstelle Tignale
© Foto: Jürgen Göbbels

Hinter Cavrasto machen wir eine kurze Pause; dort erfahre ich, dass sich Michael ausgeklinkt hat – er will wegen seiner Schulterschmerzen mit Christine auf möglichst geraden und breiten Straßen nach Höfen fahren. Über den Passo Duron arbeiten wir uns nun – leider liegen doch recht viele nicht sinnvoll umfahrbare Ortschaften auf dem Weg – zum Passo Campo Carlo Magno vor. Hier zeigen sich die Brentadolomiten mit ihren Zacken, Spitzen, Nadeln und Türmen von ihrer besten Seite. In Fucine schließlich gönnen wir uns ein weiteres Päuschen, diesmal aber mit Cappu. Leider muss ich schon wieder ein wenig antreiben, denn vor Mittag warten noch zwei Passerlebnisse auf uns.


Kurze Pause
© Foto: Peter Papenfuss

Passo del Tonale und Passo di Gavia bin ich mit Annemarie zwar schon einmal vor Jahren in umgekehrter Richtung gefahren, habe aber nur sehr vage Erinnerungen. Das wird sich heute ändern. Der Tonale fährt sich sehr flüssig; dann aber erklimmen wir die Südrampe des Gavia und hier ist volle Konzentration gefragt – sehr schmal mit fehlender Randsicherung ist die Strecke, sonntägliche Verkehrsdichte kommt hinzu und es gibt die zwei Gruppen der Motorradfahrer, die die Fahrt als reinen Landschaftsgenuss sehen und die, die an ihrem Limit fahren. Beide stehen uns im Weg herum, denn, es tut mir leid, wir müssen etwas dran ziehen, Abkürzungen gibt es auf der Strecke nach Höfen keine. Also überholen wir und auch an der Passhöhe auf 2.618 m halte ich nicht für das obligatorische Trophäenfoto an (Ralf möge es mir verzeihen). Die Nordrampe ist besser, vor allem breiter, ausgebaut. So kommen wir zügig voran auf unserem Weg nach Bormio, wo wir Mittagstation machen wollen.


Auf der Rückfahrt
© Foto: Jürgen Göbbels

Dort hatte ich bei der Planung ein schönes Restaurant in der Altstadt ausgesucht, aber eindeutige Schilder hindern mich am Abbiegen in die richtige Straße; da ich weiß, wie verwinkelt und mit Einbahnstraßen zugepflastert hier die Verkehrsführung ist, lasse ich Planung Planung sein und suche ein Lokal an der Hauptstraße aus. Anschließend geht es die Südrampe des Stilfser Jochs hinauf; auch diese bin ich bisher nur in Gegenrichtung gefahren – es kommt mir so vor, als ob hier in den letzten Jahren doch einige Begradigungen durchgeführt worden sind. Einer der Tunnel allerdings, der einen Ausbau dringend nötig hätte, bremst uns beinahe aus. In Fahrtrichtung steht ein Bus nahe beim Portal, ein entgegenkommendes Auto will den Tunnel verlassen, aber da ist definitiv kein Platz. Für entschlossene FJR-Fahrer allerdings so gerade eben. Ehe die beiden Fahrzeuge unsere Durchfahrt ganz verhindern können, bin ich bereits durchgestoßen, die Gruppe folgt ebenso entschlossen. Wie ich später höre, muss nur der arme Toddy, der als letzter fährt, eine Schimpfkanonade über sich ergehen lassen (eine Runde Mitleid!).


Schöne Durchfahrt
© Foto: Jürgen Göbbels

Von weitem schon sehen wir das Gipfelhaus des Stelvio, und ich bin froh, auch angesichts des hohen Verkehrsaufkommens den Abstieg über den Umbrail geplant zu haben. Dort kommen wir zügig voran, nur 2 Enduros überholen uns auf dem immer noch unasphaltierten Abschnitt. Ansonsten sind wir, soweit ich mich erinnere, den ganzen Urlaub nur von Kamikaze-Rollerfahrern überholt worden **isso**. Da der Schweizer Motorradfahrer, der von den Enduristen ebenfalls zügig überholt wird, nicht zu deren Verfolgung ansetzt, schließe ich messerscharf, dass das kein Polizist sein kann und überhole ebenfalls. Offensichtlich ist meine Gruppe da nicht so zuversichtlich, denn sie zuckeln nahezu den Rest der gesamten Abfahrt hinter ihm her. In Santa Maria Val Müstair schließlich halten wir kurz an und verabschieden Kai, der zum Autozug nach Lörrach muss und ab hier noch einige schöne Pässe in der Schweiz fahren wird – wie später bei ihm auf Twitter nachzulesen ist, u.a. den Splügen (das war einer der ersten Pässe, die ich je gefahren (ehrlich? geeiert!) bin; mit dem habe ich noch eine Rechnung offen **grinz**).


Bei Nauders
© Foto: Jürgen Göbbels

Wir arbeiten uns nun zum Reschensee voran, den wir allerdings auf der Westseite passieren. So ersparen wir uns alle Verkehrsstaus, befahren nebenher ein schönes Sträßchen und haben auch noch schöne Blicke auf den Lago di Resia, incl. der halb versunkenen Kirche. Kurz hinter der österreichischen Grenze trinken wir Kaffee im Gasthof Martha, der Apfelstrudel ist gewaltig und sehr schmackhaft. Bei der Weiterfahrt auf der B180 machen wir etwas Zeit gut, denn noch müssen wir über Piller Höhe und Fernpass. Die Straßen vor und hinter der Piller Höhe befinden sich entgegen mancher Beschreibung im Netz in ordentlichem Zustand, der herrliche Blick zur Linken ins Inntal würde aber ohnehin für manches Ungemach entschädigen. Nachdem wir in Wenns getankt haben (bei DEM Preis macht tanken geradezu Spaß!), geht es nun langsam zur Pflicht über, denn der Fernpass ist nun wahrlich kein fahrerisches Erlebnis mehr. Auf direktem Weg steuern wir nun auf Höfen zu. Natürlich hat es bei der Planung und auch noch bei der Kaffeepause gejuckt, schnell noch das herrliche Namlostal in die Route einzuschleifen, aber leider ist das zeitlich einfach nicht mehr zu stemmen – und ehrlich gesagt habe sogar ich eigentlich genug.

Wieder checken wir im Gasthof Lilie ein, essen gepflegt zu Abend und bei dem ein oder anderen Getränk lässt man natürlich noch mal einzelne Tourabschnitte Revue passieren. Rechtschaffen müde gehen die meisten recht früh zu Bett, auch die »Klävbotze« (kölscher Ausdruck für einen Gast, der nicht gehen will, wörtlich »Klebehose«) sind gegen Mitternacht auf ihren Zimmern verschwunden.

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